Nr 07/2020
Rekordeingangszahlen; viele Verfahren mit Corona-Bezug; zügige Bearbeitung des Verfahrens zum sogenannten Sondervermögen beabsichtigt; neue Grundrechtsklagen zur sogenannten „Heimatumlage“ eingegangen.
„Im laufenden Jahr sind bislang 62 Verfahren beim Staatsgerichtshof eingegangen. Das ist in der Geschichte des hessischen Verfassungsgerichts eine Rekordzahl und gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um fast 60 % bzw. 23 Verfahren. Wesentliche Ursache für den Verfahrensanstieg sind Eingänge mit Corona-Bezug; so betreffen 26 der neuen Verfahren Corona-Regelungen. Die Handlungsfähigkeit des Staatsgerichtshofes ist auch in Zeiten von Corona durchgängig gewährleistet. Alle Beratungen und Sitzungen konnten in diesem Jahr stattfinden. 49 Verfahren wurden 2020 bislang erledigt, darunter 16 Verfahren mit Corona-Bezug“, führte der Präsident des Staatsgerichtshofes Prof. Dr. Roman Poseck heute anlässlich der Vorstellung der Jahresbilanz des Landesverfassungsgerichtes in Wiesbaden aus.
Bislang seien alle Anträge gegen Corona-Regelungen zurückgewiesen worden. Zumeist habe es den Anträgen bereits an der notwendigen Zulässigkeit gefehlt, so beispielsweise auch dem in der vergangenen Woche zurückgewiesenen Antrag der AfD-Fraktion und von 5 Abgeordneten der AfD gegen die Maskenpflicht im Hessischen Landtag.
„Der Staatsgerichtshof setzt alles daran, die Verfahren so schnell wie möglich zu bearbeiten. Dies gilt insbesondere auch für den im November beim Staatsgerichtshof eingegangenen Normenkontrollantrag der Fraktionen von SPD und FDP gegen das sogenannte Sondervermögen. Zur Beschleunigung des Verfahrens sind den Beteiligten Fristen zur Stellungnahme gesetzt worden. Die mündliche Verhandlung soll nach den bisherigen Planungen des Staatsgerichtshofes schon vor den Sommerferien 2021 stattfinden. Eine zeitnahe Klärung der zum sogenannten Sondervermögen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen liegt im allgemeinen Interesse“, erläuterte Prof. Dr. Roman Poseck.
Am 11. Januar 2021 werde der Staatsgerichtshof seine Entscheidung in dem Wahlprüfungsverfahren verkünden. Dieser Termin werde wegen der geltenden Abstandsregeln wieder im externen Sitzungssaal des Landgerichts Wiesbaden stattfinden.
In der vergangenen Woche seien beim Staatsgerichtshof zudem kommunale Grundrechtsklagen der Gemeinde Biebergemünd sowie der Städte Büdingen, Schwalbach am Taunus und Stadtallendorf eingegangen. Die Klagen richteten sich gegen Bestimmungen des Gesetzes über das Programm „Starke Heimat Hessen“, insbesondere zur sogenannten „Heimatumlage“. Auch bei diesen Verfahren sei eine Bearbeitung im kommenden Jahr beabsichtigt.
„Der Rechtsstaat ist auch in der Krise ein wichtiger Stabilitätsanker. Die Hessische Verfassung und das Grundgesetz gelten auch in Zeiten der Corona-Pandemie ohne Abstriche. Das zeigen auch die zahlreichen Entscheidungen der Gerichte in den letzten Wochen und Monaten zu rechtlichen Fragen rund um Corona. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaats, dass Gesetze und staatliche Maßnahmen einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können. Auch Kritik an gerichtlichen Entscheidungen ist legitim. Genauso ist es aber zwingend, dass geltende Regelungen und gerichtliche Entscheidungen beachtet werden. Darauf beruht unser friedliches gesellschaftliches Zusammenleben. Wer sich in unserem demokratischen Rechtsstaat eigenmächtig über geltendes Recht hinwegsetzt und dabei sogar meint, Widerstandsrechte in Anspruch nehmen zu können, beschädigt unsere verfassungsrechtliche Grundordnung. Diskussion über den richtigen Weg ist in einer lebendigen Demokratie notwendig; der Grundkonsens über die Prinzipien unserer Verfassung darf dabei aber nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Es ist auch völlig abwegig, in der gegenwärtigen Lage von einer Abschaffung der Demokratie und der Errichtung einer Diktatur zu sprechen“, sagte der Präsident des Staatsgerichtshofes Prof. Dr. Roman Poseck abschließend.